Zwei Mal im Jahr - im Mai
und im November - werden in der Galerie im Tulla die Wahlen der
Griffelkunstvereinigung gezeigt. Die Ideen dieser Vereinigung sollen dabei
weiter gefördert werden.
Die Griffelkunst-Vereinigung
wurde 1925 von dem Hamburger Lehrer Johannes Böse gegründet. Da steht zunächst
der Name »Griffelkunst«. Max Klinger
(1857-1920) hat ihn 1891 in seiner Schrift »Malerei und Zeichnung« in die
Kunsttheorie eingeführt und als Umschreibung für Handzeichnung und Druckgraphik
verstanden.
Neben dem erklärten Ziel, einer breiten
Bevölkerungsschicht Zugang zu originalen Kunstwerken zu verschaffen, bestand
ein weiteres wichtiges Anliegen Böses darin, die Auflagen zu nutzen, um die
Kunst und ihre Entwicklung zu begleiten, zu verbreiten und zu
dokumentieren.
Böse schreibt: »Der Weg zur bildenden Kunst geht
durchs Auge und durchs Herz. Ist das
Herz gewonnen, dann ist die Voraussetzung gegeben, durch stetiges
Weiterhineinversenken ins Kunstwerk dessen Wert zu erkennen, zu erleben. Dieses Hineinversenken ist nur möglich, wenn
man das Kunstwerk länger um sich haben kann, wenn man es besitzt. Die heutigen Marktpreise der Bilder machen
es unmöglich, dass ein Wenig-Bemittelter in ihren Besitz gelangt. Und doch ist es im Interesse der Kunst, im
Interesse der Kultur unseres Volkes nötig, dass nicht nur wie bisher die zwei
Prozent Bestgestellten sich den Genuss und das große Bildungsmittel der Kunst
leisten können und so tatsächlich auch auf diesem Gebiet ein Vorrecht genießen
vor den anderen. Es ist wohl mit Recht
zu behaupten, dass unter den übrigen 98 Prozent eine größere Zahl solcher
Menschen sein wird, die die Berufung haben, echte Kunst zu kennen und zu
lieben. Man muss das Kennen und Lieben
eben nur langsam entwickeln.«
An anderer Stelle heißt es: »Die Arbeit der
Griffelkunst ist eine psychologisch-pädagogische. Es gilt die Erziehung zur Kunst und durch Kunst zu einem edleren
Menschtum. Durch einen stetigen Anreiz,
durch immer wiederholtes Darbieten soll Verständnis und Liebe zur Kunst
wachsen. Durch eine sehr vielseitige
Auswahl soll Duldsamkeit gegen das Andere, gegen das noch nicht Verstandene
erreicht werden.«
Auch wenn Böses idealistische Vorstellung von der
Beziehung zwischen »Menschtum« und Kunstwerk heute etwas fremd anmutet, trifft
er im Kern den entscheidenden Punkt: Die Herausforderung für Künstler wie
Betrachter besteht darin, dass durch ständiges Betrachten von originaler Kunst
ein neues Verhältnis zwischen Werk und Betrachter aufgebaut wird. Die Kunst
wird dort regelrecht ausprobiert, sie gefällt und missfällt, sie erzeugt
Reibung. Kunst wird damit erlebt und erfahren.
Das Graphikangebot wird
von einer bestellten Jury ausgewählt.
Das Angebot der Edition setzt sich heute im wesentlichen aus drei
Bereichen zusammen. Historische
Beispiele, etwa des späten 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, stehen neben graphischen Arbeiten der jüngsten
Zeit. Als Ergänzung finden sich
qualitätvolle Beispiele der Photographie.
Ein Grundprinzip der Auswahl geht dahin, das Mitglied immer auch mit
neuesten Tendenzen der Kunstentwicklung und schwierigen Werken bekannt zu
machen.
(Peter Schmid)