Im Spiegelkabinett des Mr. Pilk Theater-AG des Ludwig-Frank-Gymnasiums überzeugte im Werkhaus |
(Ezo)
Fünf hohe Spiegel mit zersplitterten Scheiben beherrschen die
Einführungsszene auf der Blackbox-Studiobühne im Werkhaus des
Nationaltheaters. Die Theater-AG des Ludwig-Frank-Gymnasiums hat sich
im Rahmen der 19. Schultheaterwoche
die Aufführung von 12 Minidramen des 1941 geborenen britischen
Autors,
Regisseurs und Schauspielers Ken Campell als Aufgabe gestellt. "Mr.
Pilks Irren-haus" ist der Titel des Stücks und überwiegend
auch der Ort
der Handlung. Der Zuschauer sieht in den zerbrochenen Spiegeln ein Zerrbild des Zuschauerraumes und "Bruch“-Stücks seiner selbst. Auf diese Weise ist er von Beginn an eingestimmt auf die "ver-rück-te" Scheinwelt, die ihn erwartet: eine Reihe von absurden, tiefgründigen und überraschenden Szenen. |
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Zuerst sieht immer alles 'völlig normal' aus, bis die Situation umschlägt in ein unerwartetes Geschehen. Schmal ist der Grat zwischen Normalität und Abweichung, zwischen' gerade noch tolerierbarer Exzentrität und behandlungsbedürftigem Verhalten. |
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Was
verrückt und was normal ist, weiß am Ende nicht einmal die
Ärztin,
die einem angstgestörten Patienten erklären soll, was einen
Käse zu
einem Käse macht, und ob es sicher sei, dass er, der Patient, kein
Frosch sei. Und was zum Beispiel ein T i s c h ist. Erst geduldig und
dann mehr und mehr irritiert erklärt die Ärztin, dass der
Unterschied
in der Höhe der Tischbeins zu sehen sei, denn niedere Beine deuten
auf
einen Couchtisch, höhere Beins gehören zu einem normalen
Tisch. Klingt
doch ganz einleuchtend, oder? Aber wie hoch muss die Mindesthöhe
der
Tischbeine sein, damit es ein Tisch ist? Genervt entscheidet sich die
Ärztin für 28 cm Tischbeinhöhe. Und wenn es doch nur 27
cm sein
sollten, gibt der Patient zu bedenken, ist es dann auch ein Tisch? Eine
gute Frage - aber die Ärztin, inzwischen fast um den Verstand
gebracht, flieht aus der Szene. Der Unterschied zwischen Arzt und
Patient ist hier sichtlich nur noch hauchdünn. Hat nicht der ein
Recht,
der darauf besteht, dass seine Frage auf den Zentimeter genau
beantwortet wird? Und ist es nicht normal, dass ein anderer an der
Erkenntnis verzweifelt, dass die Kriterien, die einen Gegenstand zu
einem ganz bestimmten machen, so eng festgelegt und peinlichst zu
beachten sind? |
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Subtil ausgearbeitet sind unter der Regie von Lucia Laier und Max Siefert die Charaktere. Textsicher und engagiert spielen, singen und tanzen die Akteure, was das Zeug hält, und zeigen eine reife Leistung - bei diesem schwierigen Stück extra anerkennenswert. Ungewöhnlich aber wirkungsvoll dar feierlich-ernste Gesang eines Countertenors aus dem Off, der die hintergründige Dra-matik der 12 Miniszenen unterstreicht. Besonders zu erwähnen die jeweils sehr gut gewählten Kostüme (Lucia Laier) der Darsteller, die sparsame, im Kontext des Stückes treffsichere Ausstattung (Dieter Wiegand, Annemarie Gogolok, Jeni Gogolok) der Bühne, die sehr professionell eingesetzte Beleuchtung (Karl-Heinz Sachs. Sebastian Busch). Technik: Walter Burkhardt, Dominik Bönig, Hendrick Hambsch. Regieassistenz und Souffleuse: Jana Laier. Wohlverdienten und anhaltenden Beifall erhalten die engagierten Mitwirkenden: Sonay Ilgar, Jiota Kiatipi, Björn Kladt, Angelo Malacarne, Siri Phimmasane, Sabine Schwarz, Martin, Michael und Stefan Riemer. Liza Tsivanoglou und Sarah Zetsche. Es wäre schön, wenn die Gruppe die Gelegenheit erhielte, dieses reife Stück nochmals aufzuführen. In der Klapsmüh!' am Rathaus möglicherweise - nicht nur des Namens wegen in jeder Hinsicht der passende Rahmen. | |
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Ludwig-Frank-Gymnasium lädt in „Mr.
Pilks Irrenhaus" Von unserem Mitarbeiter Mike Seifert Es gibt der Witze genug, welche
Städte oder Landesteile zu überdachen seien, um ruckzuck eine
neue Klapse zu errichten. Besser wäre, gleich den ganzen Planeten
in eine Dyson-Sphäre zu hüllen, aber so was gibt es halt nur
in der Science Fiction. Wirklichkeitsnäher, obwohl oder gerade
weil völlig abgedreht, sind die Minidramen aus „Mr. Pilks
Irrenhaus" des Briten Ken Campbell von denen die Theatergruppe Luftikus
des Ludwig-Frank-Gymnasiums ein Dutzend bearbeitet hat (Regie und
Inszenierung: Lucia Laier und Max Siefert). Im Studio Werkhaus regiert
der Irrsinn, die famosen Darsteller sind Connaisseure des schwarzen
Humors ä la Monty Python. Fünf mannshohe Spiegel,
gründlich zersplittert, stehen eingangs da und
machen dem Zuschauer bewusst, dass er nun ein Zerrbild seiner selbst zu
sehen bekommt. Schwarzgekleidete Gestalten mit weißen Masken
tragen sie
weg (und stellen sie am Ende wieder hin), dann geht es in einer Tour de
Force durch psychische Abgründe. Die Schauspieler legen sich dabei
mächtig ins Zeug, zeigen enormes Talent, Textsicherheit und
Sprachgefühl und eine starke Präsenz, besonders die
Parademimen Sonay
Ilgar, Jiota Kiatipi, Liza Tsivanoglou und Björn Kladt, die eine
beeindruckende Wandlungsfähigkeit vorführen. Das Ensemble
agiert auf
sehr hohem Niveau, allen voran Sonay Ilgar: Ihr Schlussmonolog
gehört
zu den ganz großen Momenten.
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Jeder hat irgendwie einen Hau: Kladt brilliert als Opfer einer scheinbar rektal konzentrierten Raumanomalie und verschwindet schließlich in seinem eigenen Hintern. Absurde Überzeichnungen ins Groteske und häufige Brechungen prägen die Inszenierung: Nachdem Liza ihre Ex-Geliebte Sonay erschossen hat, tanzt der aus Laos stammende Siri Phimmasane zu „Singin` In The Rain" einen Step im Verfolgerspot und macht Zigarettenreklame; Jiota Kiatipi und Michael Riemer servieren eindringlich ein Ehedrama, dessen finaler Sexualakt mit anschließendem Todesschuss vom Verlangen nach einem Drink unterbrochen wird. Zum Gackern: Angelo Malacarne als Huhn. Zum Schießen: Sonay und Jiota als Spione, die an ihrem eigenen Geheimcode scheitern. Verrucht-lasziv und sexy: Sarah Zetsche als männermordende Nymphomanin mit Orgasmusproblemen. | ![]() |
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In
atemberaubender Garderobe gibt Sabine Schwarz kühl-mondän
eine
Zeugin, in Bademänteln und Filzpantoffeln versuchen Martin und
Stefan
Riemer, einander hinterfotzig weiszumachen, sie und ihr Zuhause seien
nur Kopien - klasse. Und Liza, Sarah und Sabine können auch noch
singen und geben im Cowboy-Look ein selbstverfasstes Lied zum Besten. |
Eine tiefsinnige Inszenierung
und eine ausdrucksstarke, lebendige
Equipe, die hier ihre Abschiedsvorstellung geben wollte, das Stück
aber auf vielfachen Wunsch in naher Zukunft womöglich noch einmal
(passend!) in der Klapsmühl' am Rathaus' spielen wird.
„ Mannheimer Morgen“ Dienstag, 3. April 2001 |