Teilnahme von LFG-Kursschülern an Auschwitz-Gedenken am 27.1.2009
Ratssaal: Zwangssterilisierungen unterm Hakenkreuz im Blickpunkt der Gedenkveranstaltung

Lange ausgeblendetes Kapitel im Fokus

Von unserem Redaktionsmitglied Susanne Räuchle
Das Datum erinnert an die Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945, an dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus kamen 64 Jahre später Vertreter aller Parteien, der jüdischen Gemeinde, der Kirchen, der Sinti und Roma, der antifaschistischen Verbände im Ratssaal des Stadthauses zusammen, um an die monströsen Schrecken zu erinnern, an das millionenfache Leid.
Die breite gesellschaftliche Resonanz zeige, dass die Veranstaltung mehr sei als ein Erinnerungsritual, betonte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz in seiner Begrüßung, hier werde ein aktueller Debattenbeitrag geleistet. Im Blick auf die NS-Vergangenheit liege auch die Chance, sich mit der israelischen Politik und den innerdeutschen Befindlichkeiten der Gegenwart auseinanderzusetzen und genau hinzuhören, wenn Grenzen überschritten werden.
Ein lange Jahre ausgeblendetes NS-Kapitel wurde dieses Jahr zum Gedenktag aufgeschlagen: Den zwangssterilisierten Opfern des Erbgesundheitsgerichts, galt die Aufmerksamkeit. Vor 75 Jahren wurde diese Instanz auch in Mannheim eingerichtet, um das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" durchzudrücken. Als eine von 350 000 durch dieses Gesetz an Körper und Seele Verstümmelten saß die 83-jährige Elisabeth Campbell im Saal: 1925 wurde sie in Mannheim als Tochter eines thailändischen Vaters geboren, mit neun Jahren zwangssterilisiert, nur weil ihr Teint nicht ins Raster der Rassenhygieniker passte.
Aus dem fernen Virginia war Elisabeth Campbell nun auf Einladung der Stadt angereist, um die Geste der Entschuldigung anzunehmen, um ihrer Freundin Barbara Stubert, dem Journalisten Harald Sawatzki und dem Arbeitskreis Justiz dafür zu danken, dass sie ihr Schicksal publik gemacht hatten, diese späte Würdigung ermöglichten.

Professor Axel W. Bauer von der Universitätsmedizin Mannheim führte die unheilvollen weltanschaulichen und pseudowissenschaftlichen Verirrungen vor, zeigte auf, wie eugenisches Denken und politischer Opportunismus Mannheimer Ärzte schnell dazu trieb, sich 1934 als willfährige Vollstrecker anzudienen, sofort mit Entmannungen und Unfruchtbarmachungen zu beginnen. Als Mitglied des Deutschen Ethikrates schlug Bauer auch die Brücke zu aktuellen Diskussionen, brachte die Zwangssterilisierungen als historisches Mahnmal für die heutige Medizinethik ins Gespräch.
Szenen des Nazi-Verhör-Terrors vor Gericht und Schlaglichter auf Einzelschicksale führten engagierte Jugendliche aus sechs Mannheimer Schulen vor. Und Michael Angierski schlug mit Liedern der Verfolgten und Deportierten aus den NS-Lagern die passende Saite an.






Artikel aus MM, 29.1.2009/Fotos: LFG